In eigener Sache
Männer jenseits der 70 sitzen im Vereinszimmer ihres Vereinslokals, welches sich bis heute den maroden Charme der 60er Jahre durch sein dunkles Interieur bewahrt hat.
Es ist Monatsversammlung, aber eigentlich gibt es nichts zu besprechen, denn „wir machen das so, wie wir es immer gemacht haben.“
Neue Mitglieder, junge Mitglieder dürfen ehrfurchtsvoll den Geschichten, Anekdoten, Zuchterfolgen aus der alten Zeit und derben Witzen lauschen, die zwischen dem Ab- und Ansetzen der Bierkrüge von sich gegeben werden. Einbringen, Vorschläge machen oder nachfragen dürfen sie nicht. Hallo? Die müssen sich erstmal ihre Sporen verdienen, erstmal das entsprechende Alter erreichen (alle unter 60 sind noch grün hinter den Ohren), um sich einbringen zu dürfen.
Die Frauenkasse wird rumgegeben. Schließlich sollen die Frauen, die ihren Männern ihr Hobby ermöglichen, auch mal etwas Nettes bekommen. Ein Essen zum Beispiel.
Wie lange der amtierende Vorstand bereits im Amt ist, wissen nur noch wenige Mitglieder.
Feuchtfröhlich und bierselig endet die Versammlung spät in der Nacht. Das ist Tradition.
Das ist das gängige Bild, welches Vielen durch den Kopf schießt, wenn sie „Geflügelzuchtverein“ hören.
Verstaubte Traditionen, stringente Hierarchie, nur keine Veränderung, immer weiter so. Gesprochen wird nur über Geflügel und Zucht – ohne allerdings zu viel Informationen preiszugeben.
Das Bild hat sich gewandelt. Auch wenn es bis heute noch solche Vereine und Verbände mit eben diesen Strukturen gibt, haben viele erkannt, dass es so keine Zukunft gibt. Dass diese Strukturen und Traditionen an den aktuellen Interessen vorbeigehen.
Der GZV Osterode hat die Zeichen der Zeit erkannt.
Wichtig ist uns, dass sich jedes Mitglied, das sich für Geflügel interessiert, einbringen kann, Fragen stellen kann, seine Erfahrungen mitteilen kann. Alle Beiträge haben den gleichen Stellenwert.
Es gibt bei uns keinen Unterschied zwischen Geflügelhaltern und Rassezüchtern. Alle Mitglieder sind gleich wichtig! Denn es verbindet uns eins: unsere Macke für das Federvieh!
Oft haben Menschen, die beginnen, sich mit der Geflügelhaltung auseinanderzusetzen, einen ganz anderen Blickwinkel, andere Ansätze, andere Schwerpunkte.
Voneinander lernen, das steht im Austausch unter den Mitgliedern an erster Stelle: jeder wird ernst genommen, wir unterstützen uns gegenseitig, egal, welches Alter oder Geschlecht man hat.
Gemeinsam engagieren wir uns für Tierwohl und Rasseerhalt.
Uns ist wichtig, dass sich unsere Tiere wohl fühlen, dass sie artgerecht gehalten werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob ein Mitglied drei Legehühner im Garten hat oder 100 Rassetiere.
Themen zur Stallgestaltung, Behandlung von Parasitenbefall, Umgang mit Erkrankungen, das sind Themen, mit denen wir uns beschäftigen. Wir veranstalten Hofbegehungen, bei denen Erfahrungen ausgetauscht und Probleme besprochen werden können.
Daneben wollen wir auch den Rasseerhalt fördern und einen Gen-Pool schaffen und aufrecht erhalten.
Wie schnell es gehen kann, dass Rassen in alten Farbschlägen plötzlich von der Bildfläche in bestimmten Landstrichen verschwinden, hat uns der Geflügelpest-Ausbruch in Mecklenburg-Vorpommern 2022 gezeigt. Hier konnten wir Züchter, die teilweise ihr Lebenswerk innerhalb kürzester Zeit verloren haben, durch die Abgabe von Bruteiern bzw. von Zuchtstämmen unterstützen – einfach und unkompliziert.
Viele unserer Mitglieder haben es sich auf die Fahne geschrieben, bedrohte Rassen, die auf der roten Liste stehen, zu züchten. Teilweise haben sie sich sogenannten Zuchtringen angeschlossen, um nicht in die Inzucht zu rutschen.
Gerade die alten Rassen sind bedroht, die Bestände verringern sich rapide. Hier wollen wir einen kleinen Beitrag leisten, um diesem entgegenzuwirken.
Einmal im Jahr veranstalten wir unsere Geflügelausstellung. Klar wollen wir als Züchter unsere Zuchterfolge präsentieren.
Aber durch die Bewertung der Tiere bekommen wir Tipps, worauf wir bei der Zucht achten müssen – zum Wohle des Tieres und im Rahmen des Rasseerhalts.
Auch wollen wir der Bevölkerung das Thema Geflügel näherbringen, Informationen zur Haltung und Aufzucht teilen und Rassen vorstellen, die vielen unbekannt sind. Immer im Hinblick auf Rasseerhaltung und Tierwohl. Nur so kommt man ins Gespräch und kann sein Wissen teilen.
Neben Tierwohl und Rasseerhalt engagieren wir uns auch in der Jugendförderung. Wir binden unsere Jugendlichen in unseren Vereinsalltag ein und helfen und unterstützen sie. Damit auch sie noch in den Genuss der Artenvielfalt kommen und später ihr Wissen an die nächsten Generationen weitergeben können.
Fazit
Bei uns haben alle Geflügelverrückten das gleiche Mitspracherecht – ob „Hühnerstreichler“, Hühnerhalter, bei denen die Eierproduktion im Vordergrund steht oder Rassezüchter. Jede Meinung, jeder Beitrag ist herzlich Willkommen.
Wir haben eine flache Hierarchie im Vorstand, in dem es keine Alleingänge gibt – der Vorstand entscheidet zusammen!
Wir treffen uns nicht in dunklen Vereinszimmern, nur um uns einmal im Monat im Namen der Geflügelzucht betrinken zu können.
Wir treffen uns in einem modernen und hellen Vereinslokal, in dem wir gemeinsam alle anfallenden Themen besprechen. Dabei soll selbstverständlich die Geselligkeit nicht zu kurz kommen. Denn das ungezwungene Gespräch ist nachher das, bei dem man viel erfährt und bei dem man viel lernen kann!
Auf internen Veranstaltungen, wie unserem Familientag oder unseren Vereinsfahrten, wird zwanglos zusammengesessen und gefeiert. Denn auch das Miteinander ist uns wichtig. Feiern als Verein, als Freunde, als Familie!